Fairphone Test: Das Smartphone mit fairen Absichten
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Wie fair ist ein Smartphone? Wie steht es eigentlich um die Produktionsbedingungen und wo kommen die Rohstoffe überhaupt her? Interessiert das Kunden überhaupt? Leider sind Hersteller bei diesen Fragen unserer Erfahrung nach weniger transparent und gesprächsbereit, dabei sollte gerade dieses Thema alle interessieren. Der einzige Hersteller, der diese Transparenz in der Form ermöglicht ist das niederländische Unternehmen Fairphone. Wir haben das gleichnamige Smartphone aus der First Edition zwei Wochen getestet und möchten heute ausgiebig darüber berichten.
Das Fairphone im Test
Bei Fairphone wird neben einer fairen Produktion auch Nachhaltigkeit groß geschrieben, daher kommt das Fairphone auch in einem kleinen, schlichten Pappkarton in der Redaktion an. Als Lieferumfang gibt es weder Netzteil, noch USB-Kabel, noch Kopfhörer. Viele Verbraucher besitzen ja bereits mehrere dieser Produkte und somit kann auch die Umwelt geschont werden. Zudem können Nutzer beim Fairphone problemlos den Akku wechseln und die meisten Teile wurden nur verschraubt und nicht verklebt. Das schon den Geldbeutel und ist nachhaltig, sowie recycling-freundlich. Fairphone bietet seinen Kunden auch Ersatzteile an und der Dienstleister iFixit veröffentlicht auf seiner Website diverse Reparaturanleitungen. Diese ermöglichen den Käufern selbst Komponenten wie das Display, den Lautsprecher oder die Kamera austauschen können.
Beim Fairphone handelt sich hierbei technisch gesehen um ein normales Mittelklasse-Smartphone mit einem 4,3“ (10,9 cm) Display, einem Quadcore-Prozessor (Mediatek MT6589M bis 1,2 GHz), 1 GB RAM und dem Betriebssystem Android 4.2.2 Jelly Bean. Das Fairphone läuft mit einer Version des Android-Systems, deren Quellcode öffentlich ist. Daher wird das Handy auch ohne Google-Apps wie den Play Store oder Google Maps ausgeliefert. Der Nutzer kann sie bei Bedarf jedoch problemlos installieren. Zudem haben Nutzer ab Werk den vollen „Root-Zugriff“. Das ist vergleichbar mit den Administratorenrechten auf einem Windows PC.
Zurück zum Gehäuse: Der Akku-Deckel aus Stahl wirkt robust und sitzt fest am Gerät. Aufgrund der 170 Gramm und der Dicke von einem Zentimeter liegt das Smartphone gut in der Hand und fühlt sich wertig an. Gleich am Anfang reagiert die Bedienoberfläche, bzw. der Touchscreen des Fairphone im Test durchweg flott. Erste Benchmark-Tests ergeben ein normales Arbeitstempo. Bei der Grafikleistung hapert es jedoch hin und wieder etwas. Das 4,3“ Display bietet eine qHD Auflösung mit 960x540 Punkten (254 ppi). Es gibt zwar noch schärfere Auflösungen, doch für viele Anwendungen und den normalen Gebrauch reicht diese Auflösung vollkommen aus. Farben werden zudem sehr gut dargestellt.
Als Speicher wurden 16 GB angegeben. Frei sind im Test-Fairphone jedoch nur 12,98 GB. 3 GB werden für das OS, sowie vorinstallierte Apps verwendet. Die knapp 13 GB sind immer noch groß genug für viele Anwendungen, Bilder, Spiele oder Filme. Wem das nicht reicht, der kann per MicroSD-Karte erweitern. Die Internetverbindung erfolgt per WLAN oder UMTS-HSPA+. LTE und NFC ready hat das Fairphone aus der First Edition nicht. Ob Anwendungen oder Internet, das Fairphone macht überall eine gute Figur. Lediglich Games mit hohen Ansprüchen funktionieren nicht immer ganz ruckelfrei. Der G-Sensor hingegen läuft schnell und flüssig. Im Net surfen klappt mit dem vorinstallierten Browser sehr gut. Alle Websites werden komplett aufgebaut und dargestellt. Auch Filme lassen sich auf dem Fairphone gut ansehen, dabei zeigt auch der Sound vollen Einsatz.
Weiter geht’s mit der 8MP Kamera. Diese macht bei Tageslicht gute, bis sehr gute Bilder. Erst bei wenig Licht werden die Fotos im Test etwas schlechter. Sehr schön ist auch die Dual-Sim Funktion. Diese macht das Fairphone zu einem Handy, welches unter zwei Telefonnummern erreichbar ist. Zwar kein Alleinstellungsmerkmal aber nicht in jedem Smartphone zu haben. Gerade für Menschen, die ihr Smartphone sowohl beruflich, als auch privat nutzen möchten eine tolle Sache, da man keine zwei Handys kaufen muss. Der auswechselbare Lithium-Ionen Akku bietet 2.000 mAh und sorgt im Test für lange Laufzeiten. Wir können damit rund 12 Stunden telefonieren und ca. 5 Stunden surfen. Bei normaler Nutzung hält der Akku mehrere Tage.
Bilder: Fairphone
Fair zu Mensch und Umwelt
Kommen wir zu den verwendeten Rohstoffen. Fairphone gibt an, dass die mitunter wichtigsten verwendeten Metalle- Zinn und Tantal (Coltan)- aus konfliktfreien Minen, bzw. Projekten aus der Republik Kongo kommen. Diese gelten gemäß OECD-Richtlinie als konfliktfrei, was bedeutet, dass dort keine Milizen das Geld abnehmen, um ihre kriegerischen Auseinandersetzungen zu finanzieren. Ja, viele Handykäufer sind sich nicht bewusst, dass Sie mit Ihren Käufen indirekt Kriege finanzieren. Es ist jedoch nicht nur bei Mobiltelefonen der Fall, sondern bei fast allen Technikprodukten, die beispielsweise Zinn, Tantal, Wolfram und Gold verwenden. Diese Metalle findet man so gut wie überall. Von dem heimischen Fernseher, über die Waschmaschine, dem Kaffeevollautomaten bis hin zum Auto.
Zudem soll der Lohn dank der Initiative für konfliktfreien Zinn in Süd-Kivu (Kongo) je Kilogramm Zinn bereits von 4 auf 6 US-Dollar gestiegen sein. Unterstützt wird auch das Projekt „Solutions for Hope“. Produziert wird das Fairphone bei der chinesischen Firma A’Hong. In puncto Recycling steht ein Rücknahmesystem in den Niederlanden zur Verfügung. Zudem wird das Projekt „Closing the Loop“ unterstützt, welches Elektro-Schrott aus Afrika zurück nach Europa holt und dort ordnungsgemäß wiederverwertet. Die übliche Verschrottung in Ghana erfolgt in vielen anderen Fällen zu Lasten von Mensch und Natur.
Das Fairphone ist noch lange nicht fair“, das gibt selbst der Smartphone Hersteller seinen Kunden ehrlich zu verstehen. Es werden sowohl Erfolge, als auch noch zu erledigende Schritte offen dargelegt. Aber es sei „ein Anfangspunkt auf einer schrittweisen Reise.“
Fairphone setzt mit dieser Transparenz und Offenheit ein Zeichen und legt von der Gewinnung der Rohstoffe, über die Produktion, bis hin zum Verkaufspreis alles offen auf den Tisch. Kunden bekommen somit einen Einblick, den sie bei keinem anderen Smartphone Hersteller erhalten. Zum Testzeitpunkt wurden bereits knapp 20.000 Fairphones bestellt. Es gibt demnach auch einen Markt für Menschen, die bei Ihrem Handykauf auch etwas positives bewirken und ebenfalls ein Zeichen setzten wollen.
Fazit: Im Test punktete vor allem das solide Gehäuse des Fairphone, sowie die Tatsache, dass wichtige innen liegende, sowie äußere Teile nur verschraubt und somit auswechselbar sind. Zudem gibt es einen Pluspunkt für die Dual-Sim Funktion. Das Display konnte ebenfalls überzeugen und die Kamera reicht bei normalen Lichtverhältnissen vollkommen aus. Bei manchen Anwendungen kam das Fairphone allerdings an seine Grenzen. Dafür konnten wir im Test flüssig surfen und auch Bilder, sowie Videos lassen sich am Fairphone schön ansehen.
Am meisten gefällt uns natürlich das Konzept hinter dem Fairphone. Auch wenn es noch auf einem langen Weg ist 100% fair zu werden, so ist es doch schon ein guter Anfang. Konfliktfreie Minen im Kongo, unabhängige Prüfer bei Zulieferern in China, nachhaltiger Umweltschutz und eine faire Preispolitik zeichnen das Konzept aus. Alleine die Aufmerksamkeit, die das Thema dadurch erhalten ist die Sache schon wert. Fairphone geht offen mit dem Verkaufspreis um, welcher unserer Meinung nach für alle Fair ist. So sollte es eigentlich immer sein, damit jeder etwas von dem Kuchen bekommt und nicht hauptsächlich die Personen, die auf den obersten Etagen sitzen. Im Normalfall bekommen nämlich die Menschen, die die meiste Arbeit machen am wenigsten Lohn. Das ist alles andere als fair. Das niederländische Unternehmen will das ändern und wir finden diese Initiative sehr gut. Als Überteuert empfinden wir den derzeitigen Preis von 319 EUR des Fairphone nicht, zumal nicht der ganze Erlös in die Tasche des Herstellers fließt.
Auf der offiziellen Website gibt es alle Infos rund um das Fairphone.
Bilder: Fairphone
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